Werkstatt am Kesselbrunn: Diszipliniert durch die Pandemie

Arbeit und sinnvolle Tagesstruktur für Menschen mit Behinderung: Das bietet die Werkstatt am Kesselbrunn etwa 210 Beschäftigten, die von 35 Fachkräften angeleitet werden. Doch wie kann der Alltag gestaltet werden zwischen dem dringend notwendigen Schutz vulnerabler Gruppen und der Notwendigkeit, ein verbindlich agierender Partner für Kunden zu bleiben?

Matthias Schrader, Werkstattleiter am Kesselbrunn, hat seine Werkstatt entsprechend durchorganisiert – und kann dabei auf den Rückhalt seiner Mitarbeiter wie auch der Beschäftigten mit Behinderung bauen: „Unser Ziel ist neben dem Gesundheitsschutz, die Werkstatt unbedingt offen zu halten“, sagt er. „Eine Schließung, wie es in Thüringen 2020 vorsorglich für alle Werkstätten gegeben hatte, wäre für unsere Beschäftigten eine Katastrophe.“

Denn: Von März bis Mai 2020 blieben die Thüringer Werkstätten für Menschen mit Behinderung per Verordnung geschlossen, ab Juni durften die ersten, besonders hart vom Wegfall der Tagesstruktur betroffenen Beschäftigten wieder arbeiten gehen. „Aufgrund der damaligen Erfahrung, was eine rigorose Schließung mit den Beschäftigten macht, ist so etwas nicht mehr gewollt – auch nicht seitens des Gesetzgebers“, sagt Matthias Schrader.

Damit es am Kesselbrunn keine großen Corona-Ausbrüche gibt, arbeitet das Team nach einem sehr straffen, immer aktuell angepassten Hygienekonzept, das sich an den Vorgaben des Arbeitsschutzes, der Test-Verordnung wie auch der Thüringer Corona-Schutzverordnung orientiert. „Wir testen, testen, testen, tragen Maske, halten Abstand, machen gestaffelte Pausen, haben Trennwände wo möglich. Inzwischen können wir von einer überdurchschnittlich hohen Impfquote profitieren“, sagt Matthias Schrader. „Dies alles trägt dazu bei, dass die Werkstatt offenbleibt.“

Gerade das Abstandhalten sei für seine Beschäftigten schwierig – und dennoch herrscht große Akzeptanz der Maßnahmen. „Zu Beginn waren wir sehr skeptisch, ob sich unsere Beschäftigten an alles halten, aber das klappt nun auch über diese lange Zeit erstaunlich gut.“

Denn immer noch sehr präsent sei die Erinnerung ans Frühjahr 2020, als alle zu Hause bleiben mussten. „Manche hat das psychisch aus der Bahn geworfen“, so der Werkstattleiter. „Unsere Beschäftigten brauchen feste, regelmäßige Strukturen.“ So habe man nach der Schließzeit bei einigen wieder bei Null angefangen zu erklären, was eine Arbeit ist, warum man sich an Regeln hält. „Für unsere Beschäftigten ist wichtig zu wissen, dass die Werkstatt da ist, wir da sind, ihr Platz und ihre Leistung weiter gefragt sind. Für viele sind wir der große Ankerpunkt, an dem sie sich orientieren, um nicht in ein Loch zu fallen. Sie wissen: Hier leisten sie sinnvolle Arbeit entsprechend ihrer Fähigkeiten.“

Wie hat sich die Pandemie auf die Auftragslage ausgewirkt? „Wir sind nicht vordergründig ein Wirtschaftsbetrieb, sondern haben die Aufgabe, Menschen mit Behinderung für die verschiedenen Arbeitsfelder der Werkstatt zu qualifizieren. Dort übernehmen sie nach ihrer jeweiligen Neigung und Fähigkeit Arbeit mit dem Ziel, möglichst auf eine Tätigkeit am ersten Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein“, erklärt Matthias Schrader. Dennoch muss die Werkstatt auch genug erwirtschaften, um ihren Beschäftigten Entgelte zahlen zu können.

„Wir hatten aufgrund der Pandemie mit deutlich weniger Aufträgen wie auch Umsatz gerechnet, wurden aber positiv überrascht“, so Matthias Schrader. „2021 war die Auftragslage stabil, vor allem durch die Kooperation mit langjährigen Stammkunden und Geschäftspartnern, mit denen wir sogar unser Portfolio erweitern konnten.“ Für einen Großkunden habe man zum Beispiel rund 600.000 Beutel Zubehörsets für die Montage gepackt.

Dabei stehe die Qualität der Arbeit oben an. „In unserem Holz- und Metallbereich erledigen wir den Materialeinkauf wie auch die Produktion nach Qualitätsvorgaben der Kunden“, sagt Matthias Schrader. Die Nähe zum Erfurter Kreuz sei vorteilhaft. „Davon profitieren wir sehr. Das Gute ist ja, dass wir mit der entsprechenden Nachfrage durch die Kunden unseren Beschäftigten komplexe Arbeiten anbieten und sie so weiter fördern können“, erklärt er. „Seit diesem Jahr hat unsere Werkstatt zudem die Essensversorgungsfahrten in alle Bereiche des Marienstifts übernommen. Für die sechs Beschäftigten ist das eine große Verantwortung, auf die sie auch stolz sind.“

Weitere Außenarbeitsplätze sind die Mühlburg und der Tierpark, deren Betrieb ohne die Werkstatt fast nicht zu stemmen wäre. „Und natürlich sind wir für die Bürger im Wertstoffhof präsent, den wir im Auftrag des Ilmkreises betreiben und der jährlich zertifiziert wird. In der Pandemie haben wir die Zutrittsregeln gestrafft – mit gutem Ergebnis“, so Schrader. „Im Wertstoffhof übernehmen unsere Beschäftigten die umweltgerechte Zerlegung von Haushaltsgeräten. Aktuell können wir sogar von den gestiegenen Rohstoffpreisen profitieren, die ein bisschen den enormen Anstieg unserer Einkaufspreise im Metallbereich ausgleichen.“

Was dem Werkstattleiter wirklich Sorgen macht, ist der Berufsbildungsbereich, der sozusagen der Einstieg in die Werkstatt ist. Dort qualifizieren sich die Beschäftigten innerhalb von zwei Jahren für die verschiedenen Arbeitsfelder der Werkstatt, in denen sie später nach ihrer Fähigkeit Arbeit leisten. „Doch seit Corona bekommen wir keine Teilnehmer von den Versicherungsträgern vermittelt, etwa wenn jemand nach einem Unfall nicht mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt teilnehmen kann.“ Die Gründe? „Wir wissen es nicht. Jedenfalls fehlt uns inzwischen eine von drei möglichen Gruppen, die sich auf die Arbeitsbereiche vorbereiten.“

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